Konzept Kreatives Schreiben in Life-Project-Programmen

Konzept Kreatives Schreiben in Life-Project-Programmen

Konzept Kreatives Schreiben in Life-Project-Programmen 1440 2560 TippToppTexte von Dr. Barbara Neuber

Konzept zu Kreativen Schreibworkshops und Photovoice-Projekten in Life-Project-Programmen und als Methoden im DaZ-Unterricht

 

1.     Ziele

1.1 Kernziel

Durch die Workshops „Kreatives Schreiben – Bilder von mir“ und „Photovoice: Hoch hinaus – wo will ich hin?“, zwei interaktiven Schreibmethoden, soll die Life-Project-Arbeit[1] mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen unterstützt werden. Die Teilnehmer sollen durch das kreative und persönliche Schreiben ihre Reflexionsfähigkeit verbessern, sich innerlich orientieren und sich so über ihre aktuelle Situation sowie ihre Zukunftsvisionen klarer werden. Damit dienen die Seminare als Unterstützung, um Lebensprojekte besser planen und verfolgen zu können.

Daneben bieten die Workshops eine enorme Chance im Bereich der DaZ-Förderung, da sowohl die individuellen schriftsprachlicher Fähigkeiten der Teilnehmer erweitert werden und andererseits durch den ständigen Austausch in der Gruppe die mündliche Ausdrucksfähigkeit geschult wird.

Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen entwickeln im Laufe der Seminartermine ihre eigenen Produkte in Form von Schreibmappen bzw. einer Photovoice-Ausstellung. Die Möglichkeit, sich ihre Ergebnisse nicht nur gegenseitig zu präsentieren, sondern auch anderen zugänglich zu machen, kann zu einer enormen Stärkung des Selbstbewusstseins und des Vertrauens in die eigenen (sprachlichen) Fähigkeiten beitragen.

1.3 Chancen für die Deutsch-als-Zweitsprache-Förderung

Das Besondere und vor allem Herausfordernde ist bei den Workshops natürlich, dass die Teilnehmer die kreativen Schreibprodukte (vorwiegend) nicht in ihrer Muttersprache entwickeln, sondern in Deutsch als Zweitsprache und damit in einer Sprache, die den meisten bis zu ihrer Zuwanderung gänzlich fremd war. Gerade wenn Wortschatz und Grammatik erst wenig beherrscht werden, stellt sich vielleicht die Frage, ob sich in kreativen Workshops wirklich Texte produzieren lassen, die die Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei der Planung ihrer Lebensprojekte unterstützen können. Dies lässt sich eindeutig mit Ja beantworten, denn der kreative und freie Ansatz bietet allen die Möglichkeit, sich entsprechend ihrer aktuellen sprachlichen Kompetenzen auszudrücken, ob auf bildlicher Ebene oder auf verbaler in Wörtern, Satzteilen, Sätzen, kurzen oder langen Texten. Dies ermöglicht eine Form der Binnendifferenzierung, die in regulären Unterrichtssettings nur schwer möglich ist und die bei jedem Teilnehmer zu einem persönlichen, individuellen und aussagekräftigem Ergebnis führen kann.

Darin liegt auch die enorme Chance für die Förderung der Zweitsprache sowohl im schriftsprachlichen Bereich als auch hinsichtlich der Kommunikationsfähigkeit. Nicht nur durch die thematische Wortschatzarbeit, die am Beginn vieler Schreibphasen steht, oder durch die ständigen Austausch- und Reflexionsprozesse während des Schreibens und nach dem Schreiben werden die sprachlichen Fähigkeiten verbessert. Auch kann das kreative Schreiben insgesamt helfen, die klassischen Probleme beim Schriftspracherwerb, aus denen bei Schülern oft Schreibhemmungen resultieren, besser zu bewältigen, was für die schulische und berufliche Zukunft der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unerlässlich ist.

Der spielerische Umgang mit Sprache, der durch kreative Schreibanlässe[14] angeregt wird, kann helfen, Schreibängste abzubauen und die Lust am Schreiben wiederzuentdecken.[15] Und gerade erst alphabetisierte Jugendliche oder junge Erwachsene können so von Anfang an einen positiven Zugang zum Schreiben finden. Da die Lernenden beim Kreativen Schreiben Texte individuell auf Basis ihrer aktuellen Kompetenzen produzieren dürfen, können sie feststellen, wo bereits ihre Möglichkeiten, aber auch ihre Grenzen liegen. Diese subjektive Erkenntnis kann den fremdsprachlichen Lernprozess sowie die Motivation, die persönliche schriftliche Ausdrucksfähigkeit zu verbessern, positiv beeinflussen.[16] Für die Teilnehmer, die auf Grund ihrer Beschulung im Heimatland über ein höheres Bildungsniveau verfügen und die deshalb auch sprachlich meist stärker sind, bietet sich die Chance, ebenfalls an ihre Stufe und ihr Können anzuknüpfen, damit zu »spielen« und dadurch ihre Fähigkeiten zu erweitern. Zudem können sie sich »reflexiv ausleben« und Themen zu Papier bringen, die für sie tatsächlich relevant sind.

So entstehen positive Erfahrungen nicht nur mit dem Schreiben, sondern mit Sprache in all ihren Ausdrucksformen. Selbstvertrauen in die eigene fremdsprachliche Kompetenz wird entwickelt[17] und nicht zuletzt kann das Präsentieren der eigenen Werke in Bild- und Textform zur Stärkung einer positiv besetzten mehrsprachigen Identität beitragen.

 

2.     Umsetzung

2.1 Allgemeine Hinweise

Die Voraussetzung dafür, dass durch kreative Schreibaufgaben zum einen Schreibhemmungen und Ängste abgebaut sowie sprachliche Fähigkeiten verbessert werden, zum anderen aber auch Ergebnisse erzielt werden, die für Life-Projects und eine innere Stabilisierung der Teilnehmer wichtig sind, ist zuallererst eine angstfreie Atmosphäre. Deshalb ist auch der richtige Umgang mit den entstandenen Texten wichtig. Es muss von Anfang an deutlich gemacht werden, dass das Ziel hier weder eine Leistungsbewertung noch das Erfüllen konkreter Erwartungen bezüglich der Ergebnisse ist, sondern dass es darum geht, dass jeder sich entsprechend seiner Möglichkeiten ausdrücken und damit experimentieren kann.

Literatur:

Benő, Eszter: Kreatives Schreiben im DaF-Unterricht. Schreiben zu und nach literarischen Texten. Neue Didaktik 1/2011. S. 79-96. (Online abrufbar unter: https://core.ac.uk/download/pdf/33979823.pdf)

Böttcher, Ingrid: Kreatives Schreiben. Grundlagen und Methoden. Beispiele für Fächer und Projekte, Schreibecke und Dokumentation. Berlin 1999.

Heimes, Silke: Warum Schreiben hilft. Die Wirksamkeitsnachweise zur Poesietherapie, 2012.

Hinrichs, Beatrix: Kreatives Schreiben – ein Weg zur Förderung der Schreibkompetenz von Schülern mit Deutsch als Zweitsprache im Deutschunterricht. In: Pro DaZ. Deutsch als Zweitsprache in allen Fächern. Dezember 2011.

(Online abrufbar unter: https://www.uni-due.de/imperia/md/content/prodaz/kreatives_schreiben.pdf)

Marheineke, Marianne / Inal, Sarah: Logbuch Neuland, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2016.

Wolfrum, Jutta: Kreativ Schreiben. Gezielte Schreibförderung für jugendliche und erwachsene Deutschlernende (DaF/DaZ). Ismaning 2010.

 

Internetquelle:

Empfehlung „Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule“ Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 25.10.1996., URL: https://www.globaleslernen.de/sites/default/files/

(letzter Zugriff: 19.04. 2019)

Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule. (Beschluss der Kultusministerkonferenz 25.10.1996 i. d. F. vom 05.12.2013), URL: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Themen/ Kultur/1996_10_25-Interkulturelle-Bildung.pdf (letzter Zugriff: 19.04. 2019)

https://wissendenken.com/visuelles-denken/eine-methode-betrachtet-folge-3-partizipative-fotografie/(letzter Zugriff: 03.01.2019)

http://www.bpb.de/shop/lernen/thema-im-unterricht/228373/logbuch-neuland

(letzter Zugriff: 19.04. 2019)

files/link-elements/interkulturelles_20lernen_20in_20der_20schule_2c_201996.pdf

(letzter Zugriff: 19.04. 2019)

http://www.isob-regensburg.net/joomla3/index.php/de/projekte-menu/europaweit/129-cisotra

(letzter Zugriff: 20.05.2019)

 

[1] Die Life-Project-Arbeit ist Teil des von Erasmus+ geförderten  Projektes CiSoTRA (Zivilgesellschaft zur Förderung der sozialen Integration von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen an der Schwelle zum Erwachsenenalter). Dabei wird insbesondere auf Beispiele guter Praxis der Zusammenarbeit und Koordination aller wichtigen Akteure in ganzheitlichen Unterstützungsnetzwerken zurückgegriffen, die es den Jugendlichen erlauben, durch Bildung und Qualifikation den Schritt vom System des Jugendschutzes in das allgemeine Bildungs- und Beschäftigungssystem zu machen.

(http://www.isob-regensburg.net/joomla3/index.php/de/projekte-menu/europaweit/129-cisotra)

[2] Siehe dazu auch Heimes 2012, S. 31. („Ein weiterer Effekt einer erfolgreichen Übersetzung von Gefühlen in Sprache dürfte in der besseren Kommunizierbarkeit und den sich daraus ergebenden sozialen Interaktionsmöglichkeiten liegen.“)

[3] Heimes überträgt in diesem Zusammenhang auch Erkenntnisse aus der Achtsamkeitsforschung auf die Bedeutung des Schreibens für die Therapie, die im Zusammenhang mit der Umsetzung des Life-Project-Ansatzes von enormer Bedeutung sind. So können durch das Schreiben veränderte Haltungen und Einstellungen sowie die im Schreiben erprobten neuen Wahrnehmungs- und Handlungsformen zu Veränderungen auf der Erlebens- und Verhaltensebene führen. (Heimes 2012, 17). Konkret heißt das, werden positive Zukunftsgendanken im Schreiben formuliert oder beim Schreiben spielerisch neue Perspektiven eingenommen, kann sich dies positiv auf die persönlichen Sichtweisen auswirken.

[4] Vgl. Heimes 2012, S. 20.

[5] Vgl. Heimes 2012, S. 32.

[6] Vgl. auch Heimes 2012, S. 17.

[7] Vgl. Benő 2011, S. 79. Siehe dazu auch den Auszug aus der ersten Fassung der Empfehlung „Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule“ von 1996, S.6: „In der Auseinandersetzung zwischen Fremdem und Vertrautem ist der Perspektivwechsel, der die eigene Wahrnehmung erweitert und den Blickwinkel der anderen einzunehmen versucht, ein Schlüssel zu Selbstvertrauen und reflektierter Fremdwahrnehmung. Die durch Perspektivwechsel erlangte Wahrnehmung der Differenz im Spiegel des anderen fördert die Herausbildung einer stabilen Ich-Identität und trägt zur gesellschaftlichen Integration bei.“

[8] Vgl. Hinrichs 2011, S. 3.

[9] Vgl. dazu auch Hinrichs 2011, S. 3f., Wolfrum 2010, S. 34.

[10] Vgl. Hinrichs 2011, S. 2.

[11] Siehe dazu beispielsweise die Empfehlung „Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule: Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 25.10.1996 i. d. F. vom 05.12.2013.“

[12]Vgl. dazu auch: https://wissendenken.com/visuelles-denken/eine-methode-betrachtet-folge-3-partizipative-fotografie/

[13] Vgl. Böttcher 1999, S. 22.

[14] Anregung sind in der Regel ein oder mehrere Bilder, ein Musikstück, ein oder mehrere Reizwörter, es gibt Schreibspiele und kooperative Schreibformen oder das Schreiben zu literarischen Vorlagen – die Möglichkeiten sind vielfältig und Schreiber aller Niveaus können davon profitieren. (Vgl. zum Beispiel Böttcher 1999, Wolfrum 2011).

[15] Vgl. dazu auch Wolfrum 2010, S. 34.

[16] Vgl. dazu auch Wolfrum 2010, S. 34.

[17] Vgl. Wolfrum 2010, S. 37.

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